Darf man das? - Oldtimer-Markt 12/08

Dieses Thema im Forum "der Stammtisch" wurde erstellt von ursodent, 14. Dezember 2008.

  1. ursodent

    ursodent ursus antennae

    9. Mai 2004
    In der Oldtimer-Markt 12/08 erschien ein Artikel, der sinngemäß den Erhalt von Oldtimern auf die rein konservatorische Bearbeitung beschränkte. Dies schließt jedweden Eingriff per Schweißen, Lackieren oder anderer Austausch-Tätigkeiten aus. Einzig der Vermeidung von weiterem Verfall wird hier die Legitimität eingeräumt. Zu diesem Artikel stieß ein Karmann-Kollege mal die Diskussion an:

    Hallo Karmann-Freunde,

    ich habe gerade einen Artikel in der "Oldtimer Markt" 12/08 (Seite 10 "Darf man das?" gelesen und musste feststellen, dass Original nicht gleich Original ist!

    Da wird beschrieben wie man Oldtimer als unverfälschtes Original erhalten sollte! Nichts mit Reproteilen oder neue Farbe drauf. Neue Schrauben oder gar schweißen, um Gottes Willen! Das geht gar nicht! [​IMG] Da versucht man tatsächlich den unberührten Originalzustand zu erhalten und zu konservieren. Ist echt spannend und hat mit unser Einer aber auch nichts, bzw. fast nichts, gemein. Macht sicherlich Sinn für seltene Kleinserien oder Einzelstücke die man für die Nachwelt erhalten muss!
    Kann den Artikel nur wärmstens als Denkanstoß empfehlen. Spannend finde ich auch, dass der Professor für den weltweit einzigen Lehrstuhl für die Restaurierung von technischem Kulturgut eine Frau ist! Hat was!
    ....
    Frank

    Meine Replik dazu:

    Gut, man mag auf den ersten Blick meinen, nur der konservatorische Weg sei der historisch korrekte.

    D'accord, wenn es um den Erhalt von musealen Zeitzeugen geht und der Nachwelt quasi ein Moment-Rückblick in die Geschichte erhalten werden muß. Es würde niemand auf die Idee kommen, beispielsweise eine durch einen Attentäter einschußblutbefleckte Weste eines ermordeten Politikers oder Monarchen gereinigt und kunstgestopft in die Vitrine zu legen. Gäbe es Kennedys Lincoln als Ausstellungsstück, wäre auch er noch befleckt (die CIA ließ ihn aber umgehend reinigen, ein Schelm, wer sich dabei bestimmte Gedanken macht)

    Wir aber wollen die rollenden Zeitzeugen so präsentieren, dass sie auch als solche im "Zustand ihrer besten Tage" zu sehen sind, dazu gehört die 1-mit-Sternchen-Restauration genauso wie die ehrliche Patina, die sehr scharf von Abnutzungsspuren abgerittener Ratten zu trennen ist.

    Sollte ich jemals vernehmen müssen, dass zur Erteilung von Ausnahmen wie dem H-Kennzeichen solch weltfremde Kriterien zugrunde gelegt werden (Politikern und den subalternen Ebenen ist alles zuzutrauen, man denke an die aktuellen Gedanken zu den guten alten Papp-Kinderbüchern..),
    fordere ich lautstark das Versetzen aller öffentlichen Gebäuden aus der Feudalzeit (in denen es sich viele beflissene Beamte gutgehen lassen) in den Zustand ihrer Errichtung, d.h.

    Kaminheizung mit offenem Holzfeuer, Tranleuchten, Stehpulte und Meldeboten - schade um die Beamten, die dann in Gebäuden schuften müssen, die vor der Erfindung des Glases erbaut wurden, wird ganz schön zugig dort....

    Michael, der sich wirklich nicht sicher ist, ob sich ein solches Szenario nicht doch mal durchsetzen wird...



    Michael, auf lebhafte Diskussion hoffend
     
    Zuletzt bearbeitet: 14. Dezember 2008
  2. majus

    majus mag 60er Jahre Mercedes

    982
    22. Mai 2005
    Moin,

    ich glaube, das ist der Oldtimer-bezogene Artikel im deutschsprachigen Raum, der mit Abstand am meisten Beachtung fand.

    Ich finde den Ansatz der FHTW-Leute interessant und berechtigt, wenn man das betroffene Objekt als einen Zeitzeugen konservieren will - und somit als museales Stehtzeug. Das ist legitim, denn gerade der Erhalt bestimmter Materialien oder das Beibehalten/Dokumentieren bestimmter Fertigungsmethoden hat durchaus seinen Reiz und seine Berechtigung, das können Oldtimerfahrer gar nicht leisten.

    An der Pagode fand ich beispielweise eine Schlauchschellenart, die ich noch nicht kannte, kann sie leider auch nicht beschreiben. Es war die am linken Wasserkastenablaufschlauch, der durch den Fußraum geht. Auf der rechten Seite, wo man gut herankommt, war schon eine modernere mit dem Schraubendreher bedienbare Version.

    Aus historischer Sicht tut es eben weh, wenn die textilummantelten Spritschläche durch Stahlflex ersetzt werden, Kreuzschlitzschrauben an Autos aus den 20ern verbaut werden etc. Mich fasziniert das schon, wenn der herunterhängende Lack des Lieferwagens wieder an der Decke klebt. Andereseits: wo hört Geschichte auf? Es gehört doch auch zur Geschichte eines Wagens, wenn inden 80ern der Radio-Ausschnitt zugunsten eines "ordentlichen" Radios vergößert wurde oder? Darf ich das nicht rückrüsten? Wie lange muß sowas her sein, damit es zur Geschichte des Wagens gehört?

    Anders als bei Statuen oder Bildern sollten Autos aber eben nicht nur irgendwo herumstehen, sondern auch fahren, denn neben allen historischen Aspekten wie Materialien, Techniken, Design ist das ein ganz wesentlicher Teil ihres kulturellen Werts - und dafür sind einige Kompromisse zu machen. Welche, das muß letzten Endes jeder für sich entscheiden. Ich versuche bei meiner Pagode möglichst viel zu erhalten, werde aber keine Doktorarbeit aus der Beschaffung der richtigen Schlauchschellen machen, da kommen einfach passende her... :)

    In der letzten swiss classics war ein Artikel über Lilo Pulvers Studebaker. Dort wurde beschrieben, wie man der alte Lack wieder auf Vordermann gebracht wurde, übrigens nicht durch Berliner, sondern durch Restauratoren der Berner Uni oder Hochschule. Hierbei wurde der übergespritzte Lack und zahlreiche Spachteleien mit Restaurtoren-Geschick entfernt und der Lack aus einer Überlackierung der 60er wieder freigelegt - sehr lesenswert.

    Das Auto wird übrigens trotzallem immer noch gefahren - von Lilos Sohn!

    Grüße
    Marius - der nicht viel vom Zustand "besser als neu" hält und seine Autos gerne fährt
     
  3. majus

    majus mag 60er Jahre Mercedes

    982
    22. Mai 2005
    Moin nochmal,

    das

    hat mich jetzt doch beschäftigt. Die Dinger heißen Schlauchband bzw. Schlauchbandschloß, siehe hier:
    Schlauchbandschloß, klassische Ausführung, Barkas Wartburg - Framo, Barkas, Trabant - CCS-Trebes.de

    Funktioniert wie der Aufreißer einer Sardellenbüchse aa022279 - Fotosearch Stock Fotografie


    Gehören solche denn nun eigentlich in die Pagode?

    Grüße
    Marius
    [​IMG]
     
    Zuletzt bearbeitet: 14. Dezember 2008
  4. Tobi

    Tobi Aktives Mitglied

    26. April 2005
    das ist zwar schon irgendwie extrem...

    ...deckt sich aber begrenzt auch mit meiner meinung. ich bleibe dabei, dass ein bis in's letze detail erneuerter wagen a la kienle kein oldtimer mehr ist. alleine das high gloss finish der silbermetallic lackierungen, die mit den seidenmatten originalen rein gar nix zu tun haben sind da schon sehr heftig, allein, weil die zahlungskrâftige kundschaft das erwartet. an den autos ist zwar technisch (wenn der kunde das will, sonst eben leider auch das nicht) alles so wie damals, aber eben nicht original. das sind faktisch neuwagen mit alter technik im alten gewand. aber alles, was patiniert und erhaltungsfähig ist wird da gnadenlos erneuert und nach gusto verändert, so dass es ja auch kaum noch 300SL's mit stoffsitzen gibt.

    wenn ein wagen die wahl shredder oder neuaufbau hat, dann OK, aber es wird ja heutzutage alles in einen zustand versetzt, der besser als neu ist. mit oldtimerei hat das weniger zu tun, als mit vulgärer zur schaustellung von geld.

    deshalb sind bei fahrzeugen, die in der oberen zustands und preisliga spielen eben auch nur hochkarätige werkstätten dran, und die eigner befassen sich wie das gros im pagodenclub damit, sich gegenseitig bei galadiners, beim spanferkelessen oder kuchenessen im ausflugscafé zu fotografieren, und darüber zu berichten! respekt!

    :kotz:

    hut ab vor unseren forumsrestauratoren, die das aus hobby selber machen, und das an autos, die es anders nicht mehr schaffen würden. aber viele hätten die restauration faktisch eben auch nicht nötig....

    T:)BI, mit dieser meinung sicher einsam vor verschlossenem tank....
     
    Zuletzt bearbeitet: 14. Dezember 2008
  5. woof

    woof Olivenchauffeur

    221
    16. Februar 2008
    Ich sehs auch so wie Tobi und Majus. Was für ein Flair bringt ein top-restaurierter Oldtimer mit sich? Gut, er ist natürlich faszinierend - aber eine Geschichte kann er nicht erzählen.
    Ein Oldie mit Alttagsspuren schon eher: Der Fleck im Fussboden, als Helene, die Gattin des Erstbesitzers mit der Thermoskanne am Brennerpass 1973 gekleckert hat. Die kleine Beule in der Stossstange hinten links, als Hubert beim Theaterbesuch 1978 einen Poller übersehen hat. Die Macke im Leder, weil Omas Waschtisch beim Umzug nicht in den Kofferraum passte....Das leicht verblichene Holz, weil die Sonne auf dem Firmenparkplatz nicht durch Bäume abgeschatte wurde, jahrelang. Der kleine Lackabplatzer am Kotflügel, weil nach einer Familienfeier mit viel alkoholischen Getränken der Busch an der Torausfahrt zu nah kam.

    So ein Auto lebt, und es erzahlt uns eine Geschichte. Eine individuelle Geschichte. Also lasst uns zuhören :klatsch:
     
    Zuletzt bearbeitet: 14. Dezember 2008
  6. Tobi

    Tobi Aktives Mitglied

    26. April 2005
    majus und woof - welcome to the zombie zone !

    schön, dass meine mittelmass-pagode und ich in diesem forum doch nicht ganz alleine sind. ich teile deine meinung, allerdings ist da noch ein weiterer, wichtiger punkt: ausser dem teefleck geht es ja auch um den stand der technik, und in den 50ern gab es eben nur die fischbasierten, leicht matten metallic lacke als absolute innovation. und sowas geht als 'stand der technik' halt verloren, wenn da alles im klavierlackfinish in pebble beach um die wette glänzt.

    bis vor kurzem (scheiss einbruch) hatten beide originalen schlüsselsätze auch noch elsas schlüsselanhänger (die erstbesitzerin, von der ich den wagen habe), einmal 'harrods' und einmal eine stilisierte lederhaut in 2,5 x 5 cm mit einem 'E' drauf.

    auch von den 'sehleuten' immer wieder erfreut betrachtet der original beach placa monte carlo aufkleber an der windschutzscheibe, ihr original, damals verlorenes puderdöschen, die volksbank kunstleder 'parkgroschen' geldbörse mit zwei spannfedern und diverses anderes kleinzeugs aus ersthand.

    der innenraum ist komplett 'originooool' mit massig spuren der jahre, aber schön (alles in blau oder grau, ist klar, oder?)

    greetz

    T:)BI
     
    Zuletzt bearbeitet: 15. Dezember 2008
  7. ursodent

    ursodent ursus antennae

    9. Mai 2004
    Das wäre doch der passende Beitrag Deutschlands zur Weltkulturszene, in Anerkennung der ruhmreichen Erfinder und Entwickler des Automobils:

    Alle Autoverwerter benennen sich um in "MUSEUM" und verlangen Eintritt, zu kaufen gibt es da nix mehr.

    Ich kringle mich ab:
    Die Ludolfs als Museumsdirektoren.................[​IMG]

    DAS wiederum wär aber mal wieder typisch deutsch...bei der Umsetzung der EU-Vorgaben immer vorne weg!


    Nein, hätte ich nicht die Neigung, in und am „Kernschrott“ zu basteln, wie ich es mit Karmann und Pagode aus reiner Lust am Schrauben getan habe, würde ich die Lebenspatina in Ehren halten, wie ich es auch bei meinem „jeliebten alten Käfer“ getan habe.[​IMG]

    Denn schließlich lasse ich mir meine ich in aufreibender Lebenserfahrung erworbenen Falten und Tränensäcke auch nicht wegschnippeln.

    Und ich hoffe, keinen Halterwechsel mehr zu erleben..........

    Michael
     
    Zuletzt bearbeitet: 15. Dezember 2008
  8. Uli aus S

    Uli aus S Aktives Mitglied

    28. April 2004
    Ich kann...

    ..durchaus nachvollziehen, dass das, was wir unter 'restaurieren' verstehen für die Museumsfachleute 'reparieren' ist.

    Wenn ich mir aber die besipielhaft gezeigten Fahrzeuge ansehe, kann m.E. nach auch nicht von 'Restaurierung' sondern allenfals von 'Konservierung' die Rede sein.

    Das Fahrzeug wird im letzten Nutzungsstadium erhalten = konserviert. Und das noch nicht einmal handwerklich professionell. Die grobschlächtig zurechtgedengelte A-Säule entspricht nicht dem handwerklichen Know-how der 60ger - dafür hätte der Meister dem Lehrbub noch 'ne Kopfnuss verpasst (ist ja zeitgenössisch zulässig:)).

    Gruß

    Uli aus S
     
  9. bochy3699

    bochy3699 Aktives Mitglied

    10. Februar 2005
    Hallöchen.
    M.E. geht es um die Entscheidung der Erhaltung des Istzustandes für ein Museeum oder der Inbetriebhaltung und Nutzung auf öffentlichem Straßenverkehr.
    Beides ist richtig und wichtig hat aber jeweils ein anderes/gegensätzliches Ziel.
    Für ein Museeumstück ist die zeitgenössische Erhaltung mit all seiner Geschichte sicher der richtige Ansatz. Hier werden sicher Einzelheiten erhalten die für den öfteren oder täglichen Gebrauch nicht praktikabel sind. Dies ist richtig und wichtig um damalige Arbeitsweisen und Materialien zu erhalten.
    Für den "Alltagsbetrieb" sieht die Sache dann schon ganz anders aus.
    Da ist für den Erhalt der Technik dann ein "hinfummeln" der Technik oder des Interieurs/Exteurieus nicht statthaft oder sogar gefährlich.
    Wenn man den Artikel und die Ausführungen der im Artikel erwähnten Personen unter diesen Prämissen sieht paßt es schon wieder.
    Gr. Axel
     
  10. Peter H

    Peter H Mosel-Pagode

    28. April 2007
    Hallo

    Zu diesem Thema , Beispiel Hardtop
    Ich habe mein, bis jetzt unbenutztes Hardtop, gereinigt und den Chrom poliert.
    Mein Hardtop ist in Amerika mit Sonderausstattung "schwarzes Vinyldach" :) ,nachgerüstet worden. Sieht in Verbindung mit weisem Unterteil nicht schlecht aus, ist aber nicht Original. Muss der jetzt runter :confused:.
    Den Himmel, Griffe und den Chrom habe ich ganz gut hinbekommen, Patina halt.
    Doch trotz abklopfen und Staubsauger rieselt aus den Löchern des Himmels immer noch feiner Staub des aufgelösten Schaumgummis.
    Aber um das zu beheben muss der Himmel raus und damit auch der Rest neu gemacht werden.
    Es gibt jetzt wohl 3 Möglichkeiten :
    Hardtop ins Museum
    Original lassen und bei der Fahrt Brille und Hut aufsetzen
    Hardtop neu machen

    mit Weihnachtgrüßen an alle Pagoden Freunde :)
    Drehe jetzt noch mit ihm eine Weihnachtsrunde und dann kommt er wieder in seinen Stall.
    Peter

    und laßt Euch gut beschenken :bierkrug:
     
Müller Classic Motors
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